Ngoyila im Einsatz gegen Mädchenbeschneidung
– Ein Beitrag von Brigitte Föller
Am 06. Februar wurde der internationale der Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung, FGM, begangen. In Sierra Leone sind an die 90 Prozent der erwachsenen Frauen in die Bondo Geheimgesellschaft initiiert und haben FGM durchlitten. Der Brauch hält sich hartnäckig und erlebt seit Dezember 2022 einen traurigen Höhepunkt. Denn der Ebola und Covid-bedingte Bann, der die Geheimgesellschaften in ihren Initiierungsaktivitäten gebremst hatte, ist aufgehoben, und im Juni 2023 stehen die Wahlen bevor. Politiker und Politikerinnen unterstützen die Initiation der Frauen in die Bondo und der Männer in die Poro Geheimgesellschaft, um ihre Wahlchancen zu erhöhen. Es geht um 90 Prozent der Wählerstimmen. Auch die traditionellen Chiefs wollen ihre Position nicht gefährden, außerdem verdienen sie an jeder Initiation mit.
Laut Gesetz dürfen Frauen und Männer nur initiiert werden, wenn sie das 18. Lebensjahr erreicht und eine Einverständniserklärung unterschrieben haben. Das Gesetz wird jedoch häufiger gebrochen als befolgt, da Kinder und Jugendliche sich nicht gut wehren können und die Brautpreis genannten Gebühren für die Inititation minderjähriger Mädchen, die nach der Initiation nicht selten zwangsverheiratet werden, geringer ausfallen. Ein Monitoren der Initiationsaktivitäten kostet nicht nur Zeit und Geld, sondern auch nervenaufreibenden Einsatz und Wählerstimmen.
Der von Isata Kamara und ihren Mitstreiterinnen begründete Verein von Aktivistinnen „Ngoyila“ scheut im Einsatz für die Einhaltung der Kinder- und Menschenrechte im Bonthe Distrikt keine Kosten, Konflikte und Mühen. Neben der Überwachung der Beschneidungsaktivitäten führen die Mitgliederinnen vor Ort in den Dörfern und im Radio regelmäßig Sensibilisierungs- und Aufklärungskampagnen durch.
Sie begleiten Opfer und Überlebende von Gewalttaten zur medizinischen Behandlung, sowie bei rechtlichen Schritten und organisieren die Gründung von Spar-und Darlehensgruppen, um vulnerable Mädchen und Frauen ökonomisch zu fördern, sowie Beschneiderinnen von alternativen Verdienstmöglichkeiten zu überzeugen. Sie ermuntern die Spargruppen, einen Teil des Geldes kollektiv in den Anbau von Cassava und anderen landwirtschaftlichen Produkten zu investieren, um so ihre Eigenständigkeit zu festigen und geschützter vor Misshandlung zu sein.
Von November 2021 bis August 2022 wurden die Aktivistinnen von africa action unterstützt. Dies ermöglichte ihnen, gefördert vom Paramount Chief des Chiefdoms und der Family Support Unit (die Einheit der Polizei, welche für Fälle häuslicher, geschlechtsspezifischer und sexualisierter Gewalt, sowie für den Kinderschutz zuständig ist), ein funktionierendes Büro einzurichten. Africa action finanzierte mit Drucker, Laptop, Projekthandys, externer Festplatte und Generator die technische Ausstattung, sowie ein für die Sicherung der Mobilität so wichtiges Motorbike. Die Kerngruppe des Vereins, der inzwischen ein sich über den ganzen Distrikt verbreitetes Netzwerk aufgebaut hat, konnte an von africa action finanzierten Schulungen in Projektarbeit und Organisationsentwicklung teilnehmen. Africa action finanzierte außerdem die Durchführung von Sensibilisierungskampagnen und die damit verbundene Ausweitung des Netzwerks in abgelegenen Gegenden des Distrikts.
Bei einem Projektbesuch im Februar 2022 konnte sich africa action von der Wirkung des Engagements überzeugen. Zwei neue Initiativen sind entstanden: Unabhängig voneinander zeigten mehrere Dorfgemeinschaften ihre Kinder mit Behinderung vor und baten um Rat und Unterstützung, ein enormer Vertrauensbeweis. Nun registriert Ngoyila die Kinder, eine erster Schritt für zukünftige Aktivitäten in diesem Bereich. Und eine vormals als Prostituierte arbeitende junge Frau, die durch Ngoyila gefördert ein unabhängiges Leben aufbauen konnte, gibt nun diese Hilfe als Mitglied von Ngoliya aktiv an andere sich prostituierende Frauen weiter.
Das Projekt wurde im August 2022 abgeschlossen, doch wegen des Anstiegs der Beschneidungen kommt Ngoyila nicht zur Ruhe. Unter Einsatz der eigenen zeitlichen und finanziellen Ressourcen versuchen die Frauen, möglichst viele der Hunderte Beschneidungsplätze im Distrikt zu kontrollieren. Sie haben festgestellt, dass sich nur zwei der elf Chiefdoms des Bonthe-Distrikts an die Gesetze halten. Wenn Ngoyila den Initiationsplatz rechtzeitig erreicht, können sie die minderjährigen oder unter Zwang gesetzten Initiationskandidatinnen noch vor Durchführung der Beschneidung aus dem Beschneidungsbusch befreien. Es sind diese Erfolge, welche Ngoyila zum unermüdlichen Weitermachen motivieren.
Und es ist die Unterstützung einiger weniger großzügiger Spender, welche die Basis für ein weiteres Projekt im Jahr 2023 geschaffen haben. Africa action hofft auf weitere Spenden, damit die Hilfe nicht auf das gerade dringend Notwendige beschränkt bleiben muss. Es klingt pathetisch, ist aber wahr: Ngoyila rettet Leben.