Tätigkeitsbericht 2021 des Freundeskreis Wiesbaden
I. Allgemeines
Das Jahr 2021 war für die Arbeit des FKW ein insgesamt gesehen erfolgreiches. Gleichwohl war es von Entwicklungen und Erfahrungen gekennzeichnet, die durchaus widerstreitende Gefühle und Bewertungen auslösen:
Die Lage in den Ländern der Sahel-Zone ist bekanntermaßen in mehrfacher Hinsicht sehr schwierig und hat an Komplexität eher noch zugenommen. Neben den Auswirkungen des Klimawandels und internationaler Konflikte mit daraus resultierenden Fluchtbewegungen leiden Burkina Faso, Mali und Niger zunehmend unter terroristischen Anschlägen vornehmlich (ausländischer) islamistischer Gruppen. Diese wiederum führen zu politischer und gesellschaftlicher Instabilität u.a. mit der Folge von Militärputschen in Mali und Burkina Faso. Schließlich ist die wirtschaftliche Entwicklung nach wie vor unbefriedigend. Gleichwohl ist es unseren Partnerorganisationen vor Ort gelungen, mit bewundernswertem Einsatz die Arbeit für Blinde und Sehbehinderte im Großen und Ganzen erfolgreich weiterzuführen und z.T. sogar noch auszubauen. Die Frauen und Männer, die unsere Projekte leiten und für diese Einrichtungen arbeiten – engagiertes ärztliches und pflegerisches Personal, oft Ordens-schwestern oder Priester, aber auch viele Laien und Aktive aller Schichten und Konfessionen – leisten unter alles andere als einfachen Bedingungen eine großartige Arbeit. Von hier aus versuchen wir, sie nachhaltig zu unterstützen, und so konnten wir 2021 insgesamt Projekte mit einem Gesamtbetrag von rd.148.500 € finanzieren.
Außerordentlich bestärkend und motivierend für unsere Arbeit war die große moralische und finanzielle Unterstützung, die wir von unseren Spenderinnen und Spendern erfahren haben. An Spendeneinnahmen konnten wir die beachtliche Summe von 146.000 € erreichen.
Die Leitungsrunde des FKW besteht derzeit aus Bernd Becker, Michael Braun, Alexander Coridaß, Peter Grella (Sprecher), Christiane Hottenrott, Bodo, Kießwetter, Elmar Monzel, Franz Müller, Rudolf Schiffer, Thérèse Travers und Anja Weinand. Peter Grella und Bodo Kießwetter sind gleichzeitig Mitglied im Vorstand der africa action / Deutschland e.V.
Die Leitungsrunde des FKW hat sich 2021 zu 9 formellen Treffen zusammengefunden, in denen jeweils in erster Linie neue Projekte beraten und beschlossen sowie der Fortgang laufender Projekte geprüft und bewertet wurden. Coronabedingt fand ein Teil dieser Treffen online statt. Unter den Mitgliedern der Leitungsrunde sowie mit den afrikanischen Partnern vor Ort ebenso wie mit Partnerorganisationen und Fachleuten hier in Deutschland fanden zudem eine Vielzahl von bilateralen Kontakten (telefonisch oder per Mail) statt. Abbé Mathieu Balima (Leiter der Caritas der Diözese Tenkodogo, Burkina Faso) konnte im November 2021 zu einem Besuch nach Wiesbaden kommen, um uns über die Entwicklung verschiedener Projekte und neue Planungen zu informieren.
Anfang Juli konnte das Sommerfest des FKW stattfinden; es wurde von den Teilnehmenden als sehr gelungen empfunden. Weitere geplante Veranstaltungen wie etwa Vorträge oder die traditionelle Jahresabschlussveranstaltung mussten wegen der Pandemie ausfallen.
II. Projekte des FKW
Die im Jahr 2020 gemeinsam vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und dem FKW finanzierte Klinik ist mittlerweile fertiggestellt. Verschiedene administrative Fragen befinden sich noch in der Klärung, jedoch hat die Einrichtung bereits mit der Abhaltung augenärztlicher Sprechstunden begonnen.
Dieses Augenzentrum der Diözese Fada (Burkina Faso) wurde mit Hilfe des FKW errichtet und 2010 eingeweiht. Im Jahr 2021 gab es keine finanzielle Unterstützung für dieses Projekt.
Für die bereits seit 2002 existierende und vom FKW unterstützte Augenstation „Manfred Witold“ erfolgt derzeit für die Patientinnen und Patienten, die z. T. sehr weite Wege zurücklegen, um hier augenmedizinische Hilfe in Anspruch nehmen zu können, der Bau eines vom FKW finanzierten Wartesaals.
4. Ausbildungen
Für drei Studierende (Augenheilkunde, Pharmazie und Allgemeinmedizin/Radiologie) haben wir 2021 insgesamt 10.753 € für Studienkosten aufgewendet. Ein Student wird das letzte Studienjahr 2021/2022 im Sommer 2022 beenden und dann als Augenarzt in Diébougou tätig werden.
Aus übergeordneten Gründen übernehmen wir ausnahmsweise für eine „attachée de santé“ für die ersten zwei Jahre (2021 und 2022) die Gehaltszahlung in Höhe von jährlich 6.750 €.
Das vom FKW errichtete und 2020 eingeweihte Augenzentrum funktioniert sehr gut. Es bietet tägliche Sprechstunden für sehbehinderte und blinde Frauen und Männer, die z.T. aus weit entfernten Regionen kommen. Diese Möglichkeit der täglichen Sprechstunde wird durch die Anwesenheit der Nonnen, die in der Augenklinik wohnen, erheblich erleichtert: eine vom FKW ausgebildete Ordensschwester kümmert sich um die Sprechstunden, eine weitere Ordensschwester verwaltet das Arzneimittellager, und eine dritte unterstützt die erste Schwester bei den Sprechstunden und Untersuchungen.
Operationen am Grauen Star finden einmal im Monat während einer durchgehenden Kampagne von fünf Tagen einschließlich postoperativer Untersuchungen statt.
Die Klinik unterhält darüber hinaus ein mobiles Team, das in der Lage ist, auch in abgelegenen Regionen Operationen durchzuführen.
Die Entwicklung der Patientenzahlen zeigen, dass das Zentrum einen hohen Stellenwert hat, für die Menschen gut zugänglich ist und von ihnen voll und ganz angenommen wurde.
2021 hat der FKW mit 6.000 € eine medizinische Verbrennungsanlage finanziert, die aus hygienischen Gründen erforderlich war – das Gesundheitsministerium hatte eine solche Anlage angesichts der Gefahren des Coronavirus verlangt.
Die Verbrennungsanlage wurde mit lokalen Materialien gebaut (gebrannte Ziegel aus roter Erde), die von Jugendlichen aus der Region unter der Aufsicht eines lokalen Bauunternehmers hergestellt wurden.
Die zweite Ordensschwester, deren Ausbildung vom FKW finanziert wird und die 2022 in das Zentrum kommen soll, setzt ihre Ausbildung zum “Gesundheitsattaché der Augenheilkunde” erfolgreich fort. Wir unterstützten ihre Ausbildung mit einem Betrag von 3.650 € für ihr zweites Studienjahr. 2021 haben wir zudem den Bau von Toiletten für das Zentrum mit 5.030 € finanziert.
6. Dispensaire Goarnisson, Ouagadougou/Burkina Faso
Das Centre Médical Jean-Louis Goarnisson arbeitet mit fünf Abteilungen, darunter zwei ophthalmologische Abteilungen (Augenheilkunde und Optik). Aufgrund der kostenlosen ständigen Sprechstunde ist die Zahl der Patienten seit 2017 stark angestiegen. Es wurden auch eine wachsende Zahl von Grauer-Star-Operationen durchgeführt.
Im Jahr 2021 erfolgten im Zentrum mehr als 34.000 augenärztliche Konsultationen und 1.954 Graue Star-OP (23 von ihnen wurden dank der Unterstützung von aaD kostenlos operiert).
Im Jahr 2021 unterstützte aaD das Zentrum zudem durch die Finanzierung eines erforderlichen augenmedizinischen Geräts zur Gesichtsfeldmessung in Höhe von 15.928€.
7. Centre Père Joseph Bardenhewer, Ouagadougou/Burkina Faso
Die nach dem früheren Wiesbadener Stadtdekan Werner Joseph Bardenhewer benannte Einrichtung ist ein Sozialzentrum, das von der Association des Handicapés Visuell (AHV) „Wend Songre“ betrieben wird und seit 2018 vom FKW unterstützt wird. Aktivitätsschwerpunkte sind derzeit:
– Herstellung und Verkauf von Textilien
– Betrieb einer Grundschule
Es gibt ein Unterrichtsangebot für ca. 180 Kinder, die zwar nicht selbst blind oder sehbehindert, jedoch von blinden bzw. sehbehinderten Eltern sind.
– Kurse in Blindenschrift
Es gibt ein Unterrichtsangebot für ca. 180 Kinder, die zwar nicht selbst blind oder sehbehindert, jedoch von blinden bzw. sehbehinderten Eltern sind.
– Kurse in Blindenschrift
Für Erwachsene und Jugendliche werden Kurse zum Erlernen der Braille-Schrift angeboten.
– Kurse zum Erlernen handwerklicher Fähigkeiten
Für Erwachsene mit (Seh-)Behinderungen werden folgende Ausbildungen angeboten: Kunsthandwerk, Seifenherstellung, Weben, Herstellung von Stühlen und Viehzucht.
2021 hat der Freundeskreis Wiesbaden den Bau und die Einrichtung eines Schulgebäudes im Gesamtvolumen von ca. 60.000 € sowie die Beschaffung von notwendigen Lehrmaterialien zum Erlernen der Braille-Schrift im Wert von gut 5.000 € finanziert.
Bei der Unterstützung des Centre Père Joseph arbeiten wir mit dem Deutschen Katholischen Blindenwerk zusammen; diese Kooperation ebenso wie die mit den burkinischen Partnern hat sich bisher als sehr effektiv, verlässlich und nachhaltig erwiesen und soll auch in den nächsten Jahren fortgesetzt werden.
Wir haben die Ausbildung von Abbé Jean Kené zum “assistant médical” finanziert. Die Ausbildung war mit dem Studienjahr 2020/2021 beendet.
Das mündliche Examen hat Abbé Jean im Januar 2022 bestanden. Er wird anschließend das Team im Centre „Joseph Werner Bardenhewer“ in Mopti verstärken.
9. Maradi/Niger
Die durch die Pandemie und die allgemeine sehr schwierige wirtschaftliche Situation der Bevölkerung im Umfeld der Stadt Maradi in Niger haben wir uns entschlossen, den Betrieb der Augenklinik einmalig mit 21.000,- Euro zu unterstützen.
Schwerpunkte waren:
– Augenkontroll-Einsätze in ländlichen Regionen
– Medikamenteneinkauf
– Ersatz von Operationsbesteck
– Wartung medizinischer Geräte
Die Klinik gilt im Vergleich zu anderen Augenkliniken der Region als gut ausgestattet; sie befindet sich jedoch in einer Art Konkurrenzkampf zu der benachbarten staatlichen und muslimischen Einrichtung. Der FKW arbeitet mit dem Partner vor Ort an Konzepten, die auch weiterhin einen medizinisch und wirtschaftlich sinnvollen Betrieb der Einrichtung gewährleisten.
III. Ausblick
Angesichts der Weltlage – Pandemie, zunehmende Klimaprobleme und terroristische Bedrohungen im Sahel, politische Instabilität, aber auch Auswirkungen von Konflikten wie dem Ukraine-Krieg – ist ein unbefangen-optimistischer Ausblick schwer. Im Geiste seines Gründers Werner Joseph Bardenhewer sieht sich der FKW aber in der Pflicht, gerade in schwierigen Situationen nach besten Kräften den „Ärmsten der Armen“ zur Seite zu stehen. Wir werden daher mit unvermindertem Engagement unsere Arbeit für Blinde und Sehbehinderte in Burkina Faso, Niger und Mali fortsetzen und bauen dabei auf die weitere vielfältige und großherzige Unterstützung der Förderinnen und Förderer des FKW. Die bisherigen Erfolge und die Bewältigung letztlich aller Schwierigkeiten gibt uns die Zuversicht, auch in den kommenden Jahren entsprechend unserem Leitbild mit hoher Effizienz und Transparenz für die Bekämpfung von Blindheit und Augenkrankheiten in einer der am meisten benachteiligten Regionen der Erde zu arbeiten.
Verfasser: Dr. Alexander Coridaß
Kontakt: Michael Braun, wi@africa-action.de